Die „geschlossene Verteidigererklärung“ – ein Nachtrag

Über die Vor- und Nachteile einer „geschlossenen Verteidigererklärung“ habe ich kürzlich berichtet. Heute stieß ich auf eine Entscheidung, die mir dabei aus dem Blick geraten war. Daher ist der Vollständigkeit halber ein kurzer Nachtrag geboten. Es geht dabei u.a. um die Fragen a) wohin mit der Erklärung und b) liegt ein Fall des Urkundenbeweises vor?

Manche – natürlich nur vereinzelte – Verteidiger glauben, dass sie durch die Abgabe einer schriftlich vorbereiteten Erklärung, die sich anschließend mit den Worten „Zu Protokoll!“ dem Gericht überreichen, im Hinblick auf die Revision einen taktischen Vorteil erlangen. Und manche – natürlich auch nur vereinzelte – Richter meinen, dass sie die Erklärung tatsächlich als Anlage zum Protokoll nehmen und später im Urteil möglichst vollständig wiedergeben müssen. Wie man sich täuschen kann!

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH, 06.11.2018, 4 StR 226/18, NStZ 2019, 168) hat sich hierzu unlängst wie folgt geäußert: „Mit Blick auf die wörtliche Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten in den schriftlichen Urteilsgründen weist der Senat auf Folgendes hin: Auch wenn sich – wie es hier der Fall war – der Angeklagte bei seiner Einlassung in der Hauptverhandlung der Hilfe seines Verteidigers in der Form bedient, dass der Verteidiger mit seinem Einverständnis oder seiner Billigung für ihn eine schriftlich vorbereitete Erklärung abgibt und das Schriftstück sodann vom Gericht entgegengenommen und – unnötigerweise – als Anlage zum Protokoll der Hauptverhandlung genommen wird, wird der Inhalt der Erklärung nicht im Wege des Urkundenbeweises, sondern als mündliche Äußerung des Angeklagten in die Hauptverhandlung eingeführt. Die wörtliche Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten birgt vielmehr die Gefahr eines Verstoßes gegen § 261 StPO. Im Übrigen ist das Tatgericht – unabhängig davon, wie die Einlassung des Angeklagten erfolgt ist – gehalten, sie im Urteil tunlichst unter Beschränkung auf ihren wesentlichen Inhalt mitzuteilen.“

Im Klartext: die einlassungsersetzende Verteidigererklärung kommt nicht als Anlage zum Protokoll, sondern zu den Akten, in die das Revisionsgericht bekanntlich nicht schaut. Und der BGH will auch nicht durch das Urteil über alle Einzelheiten der Einlassung informiert werden, sondern nur über den wesentlichen Inhalt nach dem Motto: „In der Kürze liegt die Würze„.

Für Verteidiger folgt daraus: unter dem Gesichtspunkt „dann habe ich die Einlassung im Protokoll“ ist eine Verteidigererklärung anstelle einer Einlassung des Mandanten jedenfalls nicht sinnvoll. Denn bereits vor Jahren hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH, 09.1.2008, 3 StR 516/08, NStZ 2009, 282) entschieden: „Wenn sich der Angeklagte bei seiner Einlassung in der Hauptverhandlung der Hilfe seines Verteidigers in der Form bedient, dass der Verteidiger mit seinem Einverständnis oder seiner Billigung für ihn eine schriftlich vorbereitete Erklärung abgibt und das Schriftstück sodann – unnötigerweise – vom Gericht entgegengenommen und als Anlage zum Protokoll der Hauptverhandlung genommen wird, so ändert dies nichts daran, dass sich der Angeklagte damit mündlich geäußert und das Gericht den Inhalt dieser Äußerung in den Urteilsgründen festzustellen hat. Der Text der Protokollanlage ist deshalb nicht geeignet darzulegen (oder gar zu beweisen), wie sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung eingelassen hat.“ Auch dies gilt es zu bedenken bei der Abwägung der Vor- und Nachteile einer „geschlossenen Verteidigererklärung“.

Und für meine Kollegen heißt es: nehmen Sie die Verteidigererklärung dankend entgegen und zu den Akten. Was Sie im Urteil als deren wesentlichen Inhalt darstellen, ist allein Ihre Sache! Nur zu viel wörtliche Wiedergabe ist potentiell problematisch…

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