Die Unterbringung gemäß § 63 StGB – das „wahre Lebenslang“?

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) ist keine Strafe, sondern eine „Maßregel der Sicherung und Besserung“. Maßregeln sind – anders als Strafen (vgl. § 46 StGB) – von der Schuld des Täters unabhängig. Sie können also auch gegen Täter verhängt werden, die bei Begehung der Tat schuldunfähig waren und dementsprechend nicht bestraft werden können.

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus setzt gemäß § 63 StGB voraus, dass der Täter die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen hat und dass er für die Allgemeinheit gefährlich ist, weil von ihm sind infolge seiner Zustands weitere erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind. Wenn das Gericht – gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG nicht das Amtsgericht – diese Voraussetzungen als erfüllt ansieht, trifft es im Urteil die entsprechende Anordnung („Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhause wird angeordnet“).

Entgegen einer landläufig verbreiteten Meinung ist die Unterbringung übrigens das Gegenteil von einem „Sanatoriumsaufenthalt“. In den hochgesicherten forensischen Abteilungen psychiatrischer Krankenhäuser sind Menschen mit den unterschiedlichsten psychischen Erkrankungen auf verhältnismäßig engem Raum untergebracht, die teilweise schwerste Straftaten begangen haben und sich krankheitsbedingt aggressiv-bedrohlich verhalten. Nicht selten kann das geschulte Pflegepersonal schwere Auseinandersetzungen gerade noch in letzter Sekunde verhindern, mitunter wird es auch selbst zum Ziel von Angriffen. Insgesamt der Maßregelvollzug also kein Ort, an den man sich freiwillig begeben würde – es sei denn, man ist Psychiater, Psychologe o.ä. und verdient dort sein Geld. 

Vor aber allem ist die Unterbringung zeitlich unbefristet, was bedeutet, dass für den Untergebrachten – anders als für den „normalen“ Strafgefangenen – kein Ende abzusehen ist. Die durchschnittliche „Verweildauer“ soll zwischen 6 und 8 Jahren liegen, wobei es Einzelfälle gab und vereinzelt noch immer gibt, die diese Dauer um ein Mehrfaches überschreiten. Dies ist auch der Grund, warum die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bisweilen als „das wahre lebenslang“ bezeichnet wird. Weil das so ist, stellt der Bundesgerichtshof (BGH, 06.12.2018, 4 StR 367/18, StV 2019, 257) strenge Anforderungen an die Anordnung der Maßregel und deren Begründung im Urteil: „Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten auf Grund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall. Der Tatrichter muss die eine Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen. Darüber hinaus muss die Anordnung verhältnismäßig sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet. In § 62 StGB hat ihn der Gesetzgeber ausdrücklich nochmals einfachgesetzlich geregelt, um seine Bedeutung bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung hervorzuheben. Die Unterbringung darf nicht angeordnet werden, wenn die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde. Bei der gebotenen Abwägung zwischen den Sicherungsbelangen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Betroffenen ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen. Zu erwägen sind nicht nur der Zustand des Betroffenen und die von ihm ausgehende Gefahr, sondern auch sein früheres Verhalten, seine aktuellen Lebensumstände, die ihn konkret treffenden Wirkungen einer Unterbringung nach § 63 StGB sowie die Möglichkeiten, ggf. durch andere Maßnahmen auf ihn einzuwirken.“ Hinsichtlich dieser „anderen Maßnahmen“ gilt nach einer aktuellen Entscheidung des 4. Strafsenats (BGH, 28.03.2019, 4 StR 530/18, NStZ-RR 2019, 173): „Schließlich kommt es für die Entscheidung, ob eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen ist, auch nicht darauf an, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit durch Maßnahmen außerhalb des Maßregelvollzugs – wie etwa eine konsequente medizinische Behandlung, die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung oder eine Unterbringung in einem betreuten Wohnen – abgewendet werden kann. Solche (täterschonenden) Mittel sind erst für die Frage bedeutsam, ob die Vollstreckung der Unterbringung gemäß § § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Tatsächlich wird die Maßregel in manchen Fällen buchstäblich lebenslang vollzogen, weil es Betroffene gibt, die bis zu ihrem letzten Atemzug allgemeingefährlich sind. Über einen körperlich wie geistig schwer behinderten, psychisch kranken und im Rollstuhl sitzenden Serienbrandstifter sagte ein Psychiater vor einiger Zeit: „Natürlich lassen seine körperlichen Kräfte immer mehr nach. Aber solange der ein Feuerzeug bedienen kann, ist er hochgefährlich“. Auch jenseits von solchen tragischen Fällen ist es alles andere als einfach, aus der Unterbringung wieder entlassen zu werden. Der Fall des heute 62-jährigen Gustl Mollath belegt dies bis heute öffentlichkeitswirksam, auch er verbrachte – die einstweilige Unterbringung eingerechnet – rund 7 Jahre im Maßregelvollzug und streitet bis heute mit dem Land Bayern über die Höhe der ihm hierfür zustehenden Entschädigung…