Die Verurteilung durch das Landgericht Gießen wegen Ermordung der 8-jährigen Johanna im Jahr 1999 ist rechtskräftig – so eine heute vom BGH veröffentlichte Pressemitteilung. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten habe der 2. Strafsenat durch Beschluss vom 24. September 2019 ohne weitere Begründung verworfen. Damit bleibt es dabei: zwischen Mordmerkmalen ist Wahlfeststellung möglich!
Zum Tatgeschehen heißt es in der Pressemitteilung: „Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhr der heute 42-jährige Angeklagte am Nachmittag des 2. September 1999 durch die Wetterau, um nach einem ihm geeignet erscheinenden Mädchen zu suchen, das er betäuben, an einen abgelegenen Ort verbringen, fesseln und sexuell missbrauchen wollte. Er näherte sich der neben einem Sportplatz spielenden achtjährigen Johanna, betäubte sie mit Chloroform und legte sie in den Kofferraum seines Fahrzeugs. Im Folgenden fesselte er sie, überklebte ihr Augen und Mund mit einem Gewebeklebeband und wickelte sodann ein 15 Meter langes Paketklebeband 28 Mal um ihren Kopf, was zum Ersticken führte. Sexuelle Handlungen an dem Mädchen konnten nicht festgestellt werden. Den Leichnam des Kindes legte der Angeklagte in einem Waldstück ab, wo Spaziergänger im April 2000 die sterblichen Überreste entdeckten. Das Landgericht hat ferner festgestellt, dass der Angeklagte das Paketklebeband um den Kopf des Mädchens gewickelt hatte, um entweder seine fetischistischen Neigungen zu befriedigen, wobei er den Tod des Mädchens billigend in Kauf nahm, oder um das Mädchen aus Sorge, sein gewaltsames Vorgehen könnte entdeckt werden, zu töten.“
Das Landgericht habe den Angeklagten deshalb zu Recht wegen Mordes, begangen entweder zur Befriedigung des Geschlechtstriebes oder um eine andere Straftat zu verdecken, § 211 Abs. 2 StGB, in Tateinheit mit versuchter sexueller Nötigung verurteilt. Darüber hinaus habe es den Angeklagten wegen Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften, die 2017 anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung beim Angeklagten sichergestellt worden seien, schuldig gesprochen. Das Landgericht habe gegen den Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verhängt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
Mit seiner Entscheidung bestätigt der 2. Strafsenat ältere Entscheidungen, denen zufolge eine Verurteilung „bei der alternativen Verwirklichung verschiedener Mordmerkmale rechtlich möglich“ ist , wenn „bei sämtlichen Sachverhaltsvarianten, welche der Tatrichter nach Ausschöpfung aller Beweismittel unter Ausschluß anderweitiger Geschehensabläufe für möglich erachtet, eines der Mordmerkmale erfüllt ist.“ (BGH, 16.12.1998 , 2 StR 340/98, NStZ-RR 1999, 106). Dies soll jedenfalls für sog. täterbezogene Mordmerkmale (Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier, sonst niedrige Beweggründen, Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht) gelten (Laubhütte in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage, 16. Abschnitt „Straftaten gegen das Leben“).
Hierzu hat der 4. Strafsenat breits vor mehr als 50 Jahren entschieden: „ Die in § 211 Abs. 2 StGB aufgezählten Beweggründe der Tötung (einschließlich der Tötung, um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken) werden vom allgemeinen Rechtsempfinden in gleicher Weise sittlich mißbilligt. Die Verwirklichung jedes einzelnen auf sie bezüglichen Merkmals des § 211 Abs. 2 StGB ist gleichermaßen und aus gleichen Gründen verachtenswert. Demgemäß hat der Gesetzgeber die von ihm aufgeführten Tatbestände als Mord ohne Einschränkung in gleicher Weise als besonders verwerflich angesehen und deshalb mit derselben höchsten und unbedingten Strafe bedroht. Eine gleichgeartete seelische Haltung des Mörders bei den hier in Frage stehenden beiden Beweggründen, die wenigstens einigermaßen gegeben sein muß, ist ebenfalls zu bejahen.“ (BGH, 01.12.1967, 4 StR 523/67, BGHSt 22, 12).