Der Fall Dr. Lübcke – BGH sieht dringenden Tatverdacht wegen Mordes

Die Tötung des Regierungspräsidenten im Regierungsbezirk Kassel, Dr. Walter Lübcke, hat Anfang Juni 2019 für viel Aufshehen und Betroffenheit gesorgt. Der BGH in einer kürzlich veröffentlichten Haftentscheidung vom 22.08.2019 (StB 21/19) den derzeitigen Stand der Ermittlungen zusammengefasst. Danach besteht der dringende Tatverdacht eines Mordes (§ 211 StGB) aus niedrigen Beweggünden, mithin aus einem nach allgemeiner sittlicher Anschauung versachtenswerten und auf tiefster Stufe stehenden Motiv.

Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand sei „im Sinne eines dringenden Tatverdachts“ von folgendem Sachverhalt auszugehen: „Am 1. Juni 2019 gegen 23.30 Uhr erschoss der Mitbeschuldigte den Regierungspräsidenten im Regierungsbezirk Kassel, Dr.Walter Lübcke, auf der Terrasse dessen Wohnhauses wissentlich und willentlich mittels eines Trommelrevolvers, Kaliber.38. Der Mitbeschuldigte handelte aus fremdenfeindlichen Motiven und nutzte die Arglosigkeit sowie die darauf beruhende Wehrlosigkeit seines Tatopfers aus, indem er sich an den sich in scheinbarer Sicherheit wähnenden und sich keines Angriffs versehenden Dr. Lübcke anschlich und aus kurzer Distanz -etwa ein bis zwei Meter-einmal auf dessen Kopf schoss. Dabei kam es ihm darauf an, sein Tatopfer wegen dessen politischer Überzeugung und Betätigung als Regierungspräsident zu töten und gleichsam für die von ihm -aus der Sicht des Mitbeschuldigten zu- liberale Linie in der Flüchtlingspolitik abzustrafen.“

Zur Einordnung des Motivs als „niedrigen Beweggrund“ im Sinne von § 211 StGB führt der BGH aus: „Eine politische Tatmotivation ist jenseits des Widerstandsrechts aus Art.20 Abs. 4 GG nach allgemeiner sittlicher Anschauung grundsätzlich verachtenswert und steht auf tiefster Stufe, da die bewusste Missachtung des Prinzips der Gewaltfreiheit der politischen Auseinandersetzung durch physische Vernichtung politischer Gegner mit der Rechtsordnung schlichtweg unvereinbar ist.“ Über die Problematik dieser Einordnung hatte ich bereits an anderer Stelle geschrieben.

Der Beschuldigte, über dessen Untersuchungshaft der BGH zu entschieden hatte, sei der psychischen Beihilfe zum Mord (§§ 211, 27 StGB) dringend verdächtig. Dazu hat der BGH ausgeführt: „Nach ständiger Rechtsprechung ist als Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs.1 StGB grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich. Eine solche Unterstützung kann auch in der Form der psychischen Beihilfe geleistet werden. Voraussetzung ist dann allerdings ein konkreter Tatbeitrag des Gehilfen, durch den der Haupttäter in seinem Tatentschluss bestärkt wird. Die Annahme allein psychischer Beihilfe bedarf genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion sowie zur entsprechenden Willensrichtung des Gehilfen sowie gegebenenfalls zu einer konkludenten Verständigung zwischen Haupttäter und diesem. An diesen Maßstäben gemessen leistete der Beschuldigte nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand zu der Tat des Mitbeschuldigten psychische Beihilfe. Denn -wie dargelegt- bestärkte der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit dessen Entschluss, den Mordanschlag auf Dr. Lübcke tatsächlich auszuführen. Nach dem bisherigen Ermittlungstand ist er dringend verdächtig, dem Mitbeschuldigten -in enger freundschaftlicher Verbundenheit und dessen rechtsradikales Gedankengut teilend- durch die gemeinsamen Unternehmungen ab Juli 2016, namentlich die fortlaufende Durchführung gemeinschaftlicher Schießübungen, aber auch die Teilnahme an politischen Demonstrationen, Zuspruch und Sicherheit vermittelt zu haben.

Der Beschuldigte handelte auch vorsätzlich. Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern. Einzelheiten der Haupttat muss er dabei nicht kennen und keine bestimmten Vorstellungen von ihr haben. Allerdings ist ein Mindestmaß an Konkretisierung erforderlich. Der Hilfeleistende muss die zentralen Merkmale der Haupttat, namentlich den wesentlichen Unrechtsgehalt und die wesentliche Angriffsrichtung, im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest für möglich halten und billigen. Zudem muss der Hilfeleistende wissen, dass seine Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern. Unter dieser Voraussetzung vermag die bloße innere Absicht, nicht zu helfen, dem Beitrag des Gehilfen nicht den Charakter der strafbaren Beihilfe zu nehmen.“

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