stellt sich mitunter die Frage, welches Recht eigentlich anwendbar ist. Stellen Sie sich folgenden Fall vor: in der Türkei hat sich eine Gruppe irakischer Staatsangehöriger darauf spezialisiert, geflüchtete Landsleute illegal auf dem Seeweg ins nahe gelegene Griechenland zu bringen. Irgendwo zwischen der türkischen und der nur wenige Kilometer entfernten griechischen Küste bricht der völlig überladene Seelenverkäufer auseinander und sinkt. Mehrere Menschen kommen in der Folge ums Leben.
Frage: Wie haben sich die Schleuser strafbar gemacht? Anwort: Nach deutschem Recht! Und zwar wegen versuchter Schleusung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter banden- und gewerbsmäßiger Schleusung gem. §§ 96, 97 AufenthG! Noch nie gehört? Ging mir ehrlich gesagt auch so, obwohl es sich – wie ein Blick in § 74 Abs. 2 Nr. 29 GVG zeigt – um eine „Katalogtat“ handelt, für die das Schwurgericht zuständig ist.
Aber warum ist überhaupt deutsches Recht anwendbar in einem Fall, der sich im Mittelmeer abspielt und an dem weder eine deutsches Schiff noch ein deutscher Täter oder ein deutsches Opfer beteiligt sind? Der 5. Strafsenat hat dazu in einem heute veröffentlichten Urteil (BGH, 14.08.2019, 5 StR 228/19) ausgeführt: „Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Der Angeklagte hat zwar als Ausländer im Ausland gehandelt, wobei auch die Voraussetzungen der §§ 5 bis 7 StGB nicht vorliegen. Die Strafbarkeit nach deutschem Recht bestimmt aber § 96 Abs. 4 AufenthG. Danach sind die Schleuserstraftatbestände in § 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 und Abs. 3 AufenthG auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 AufenthG bezeichneten Handlungen entsprechen und der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt. Mit dieser Regelung ist der deutsche Gesetzgeber seiner früher in Art. 27 SDÜ geregelten Verpflichtung aus der Richtlinie 2002/90/EG (in Verbindung mit dem Rahmenbeschluss 2002/946/JI vom 28. November 2002) nachgekommen, wonach die Mitgliedstaaten der EU gehalten sind, nicht nur die unerlaubte Ein-bzw. Durchreise sowie den unerlaubten Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet, sondern auch betreffend das Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten zu sanktionieren (BT-Drucks. 16/5065, S. 200).“ Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich…
Überführt wurde der Angeklagte offenbar vor allen durch Angaben, die er gegenüber einer von der Bundespolizei eingesetzten Vertrauensperson (VP) gemacht hatte. Hierzu führte der Senat aus: „Die VP trat im September 2017 mit dem bis dahin nicht beschuldigten Angeklagten in Kontakt und gab sich als „Handy-Händler“ aus, der ein Geschäft eröffnen wolle und dafür Mitarbeiter suche. Der Angeklagte erzählte ihr darauf, er habe sieben Jahre in der Türkei gearbeitet und Menschen nach Griechenland geschleust. Die VP täuschte vor, sie benötige Hilfe dabei, ihre Schwester nach Deutschland zu schleusen. Bei einem weiteren Treffen im September 2017 berichtete der An-geklagte weiter von seiner Einbindung in Schleusungstaten. Etwa einen Monat später erläuterte der Angeklagte der VP in Zusammenhang mit deren Frage nach einer Schleusung ihrer Schwester, dass er im September 2017 in ein Bootsunglück mit Flüchtlingen involviert gewesen sei. Später machte er noch weitere Angaben und bot seine Mitwirkung bei der Schleusung der Schwester der VP an. Ein Verwertungsverbot folgt aus diesem Vorgehen nicht. Weder wurde damit eine zuvor erklärte Berufung auf das Schweigerecht missachtet, noch wurde der Angeklagte von der Vertrauensperson unzulässig unter Druck gesetzt. Ein Verstoß gegen § 136a Abs. 1, § 136 Abs. 1 i.V.m. § 163a Abs. 4 StPO ist mit solchen Befragungen durch Informanten der Polizei regelmäßig nicht verbunden. Schutz vor Irrtum gewährt der nemo-tenetur-Grundsatz nicht.“
Einen Verstoß gegen § 247a Abs. 1 StPO – nicht der Vorsitzende allein, sondern das Gericht entscheidet über die Anordnung einer audiovisuellen Zeugenvernehmung – sah der BGH als geheilt an: „Keinen Erfolg hat auch die Rüge eines Verstoßes gegen § 247a Abs. 1 StPO. Zwar hat die Strafkammer den entsprechenden Beschluss erst nach der Vernehmung verkündet. Hierdurch wurde aber der zunächst begangene Rechtsfehler geheilt. Mit diesem nachträglichen Beschluss hat der gesamte Spruchkörper die Verantwortung für diese besondere Form der Beweiserhebung übernommen. Zugleich wurde jedenfalls kurz der Grund für die Videovernehmung der beiden Zeugen genannt, die nicht nach Deutschland einreisen. Rechtliches Gehör wurde dem Angeklagten dadurch ausreichend gewährt, dass die Frage der Videovernehmung in der Hauptverhandlung schon längere Zeit diskutiert worden war.“