548 Seiten Urteil und eine Totalaufhebung

Ein Eingehungsbetrug, 104 Hauptverhandlungstage über mehr als 3 Jahre, 548 Seiten Urteil und eine Totalaufhebung – so lässt sich eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH, 22.10.2019, 4 StR 37/19) zusammenfassen.

Wie schreibt man ein Urteil (besser nicht)?

Anlass für die durchaus instruktiven Ausführungen des Senats zur Frage „Wie schreibt man ein Urteil (besser nicht)?“ war ein Urteil des Landgerichts Kaiserslautern, für das die Bundesrichter wenig schmeichelhafte Worte fanden. Um mich nicht dem Vorwurf der Besserwisserei oder gar der Kollegenschelte auszusetzen, will ich mich auf die kommentarlose Wiedergabe eines Auszuges beschränken: „Anhand der ausufernden Sachverhaltsdarstellung lässt sich diese rechtliche Wertung nicht nachvollziehen, da sich das Landgericht in der Mitteilung einer Fülle überflüssiger und für die Entscheidung gänzlich belangloser Einzelheiten verliert, weshalb die Identifikation der für den Schuldspruch maßgeblichen Tatsachen nicht mehr gelingt. Statt die Feststellungen zum Sachverhalt anhand der Merkmale des Betrugstatbestands zu entwickeln, hat sich das Landgericht, ohne eine tatbezogene Strukturierung vorzunehmen, darauf beschränkt, die Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung undifferenziert zu dokumentieren. Bestätigung findet dies nicht zuletzt darin, dass auch die Einlassung des Angeklagten auf 89 Seiten wiedergegeben wird. [..] Dem Verständnis und der Lesbarkeit des Urteils gänzlich abträglich ist zudem die den Fließtext zur Sachverhaltsdarstellung fortlaufend unterbrechende Fülle von insgesamt etwa 200 einkopierten Schriftstücken, Abbildungen u.a., deren Bedeutung für den Schuldspruch ebenfalls nicht erkennbar ist. Insbesondere bleibt aufgrund der gewählten collageartig anmutenden Sachverhaltsdarstellung unklar, ob oder inwieweit die in die Sachverhaltsdarstellung einkopierten Schriftstücke ihrem Inhalt nach festgestellt sein sollen oder ob sie nur der Beweiswürdigung dienen.“

Insbesondere jungen Kolleginnen und Kollegen, die sich an das Abfassen von Strafurteilen erst herantasten, sei die Entscheidung zur Lektüre empfohlen!

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