Der besonders schwere Fall des Totschlags (§ 212 Abs. 2 StGB) ist ein Exot und kommt in der Praxis ungefähr so häufig vor wie eine Sonnenfinsternis. Dennoch gibt es ihn, wie eine aktuelle Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH, 22.01.2020, 5 StR 407/19) beweist. Also schauen wir uns dieses seltene Phänomen einmal aus der Nähe an.
Das Besondere am besonders schweren Fall des Totschlags ist seine Rechtsfolge – die lebenslange Freiheitsstrafe. Damit wird ein Totschläger – ausnahmsweise – wie ein Mörder bestraft. Nach der Rechtsprechung (BGH, 07.08.2018, 3 StR 47/18) sind die Voraussetzungen entsprechend hoch: „Ein besonders schwerer Fall des Totschlags setzt voraus, dass das in der Tat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters außergewöhnlich groß ist. Es muss ebenso schwer wiegen wie das eines Mörders. Dafür genügt nicht schon die bloße Nähe der die Tat oder den Täter kennzeichnenden Umstände zu gesetzlichen Mordmerkmalen. Es müssen vielmehr schulderhöhende Gesichtspunkte hinzukommen, die besonders gewichtig sind.“
In dem jüngst entschiedenen Fall sah der 5. Strafsenat diese Voraussetzungen als erfüllt an. In der Pressemitteilung des BGH heißt es zum tatsächlichen Geschehen: „Nach den Urteilsfeststellungen töteten die stark alkoholisierten und daher in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkten Angeklagten den als „Squeezer“-Sänger bekannten Musiker und Moderator Jim R. im Januar 2016 in einem Berliner Hostel mit brutalen Schlägen und Tritten. Tatmotiv waren Wut und Empörung der Angeklagten darüber, dass ihnen ihr Zimmergenosse sexuelle Avancen gemacht hatte.“
Bemerkenswert ist, dass die Angeklagten mit zeitigen Freiheitsstrafen von 13 bzw. 14 Jahren „davongekommen“ sind. Damit wir uns nicht falsch verstehen: das ist beileibe kein „Pappenstiel“ , das sind ganz erhebliche Strafen. Aber dem drohenden „Lebenslang“ sind die Angeklagten entgangen, und das ist alles andere als selbstverständlich. Die (nur) alkoholbedingte erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB führt nämlich nicht mehr automatisch zu der – hier gewährten – Strafrahmenverschiebung. Näheres hierzu erfahren wir möglicherweise, wenn die Entscheidung in Gänze veröffentlicht ist.