Heute stieß ich im Onlineangebot der Süddeutschen Zeitung auf einen Artikel über eine Körperverletzung mit Todesfolge, der mich an ein einige Jahre zurückliegendes Verfahren erinnerte. Spontan musste ich an „Thorben The Hammer“ denken – so haben wir den Angeklagten seinerzeit kammerintern genannt. „Thorben The Hammer“ (kurz: TTH) hatte in der niedersächsischen Kleinstadt Munster mit einem einzigen Faustschlag gegen den Kopf seinem schwer alkoholisierten Gegenüber tödliche Verletzungen beigebracht. Ähnlich wie im „Wiesn-Fall“ – die inhaltliche Richtigkeit des Artikels unterstellt – führte der Schlag zu einem Abriss von Blutgefäßen. Unglücklicherweise waren es diejenigen, die dafür zuständig waren, das Blut aus dem Gehirn wieder abfließen zu lassen. Dies führte dazu, dass das Gehirn des Geschädigten fortlaufend mit Blut vollgepumpt wurde und immer weiter anschwoll. Die Ärzte in der Medizinischen Hochschule Hannover sahen schließlich keine andere Möglichkeit mehr, dem Gehirn Platz zu verschaffen, als die Schädeldecke abzusägen. Trotz allem Bemühungen starb der Geschädigte wenige Tage später.
Natürlich stelle sich die Frage, ob TTH mit Tötungsvorsatz gehandelt hatte. Ein Tötungsmotiv war nicht feststellbar, die beteiligten Männer waren alkoholisiert spontan und aus nichtigem Anlass in Streit geraten. Eine absichtliche Tötung schied also offensichtlich aus. Schwieriger zu entschieden war da schon die Frage nach dem bedingten Tötungsvorsatz, für den es ausreicht, wenn der Täter den Eintritt des Todes als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt und dies billigt oder sich um des erstrebten Ziels willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet. Hatte TTH die Lebensgefährlichkeit seines einen Faustschlags gegen den Kopf erkannt? Wir konnten das seinerzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit bejahen und nahmen nur einen Körperverletzungsvorsatz an. Der Gesetzgeber hatte uns diese Entscheidung relativ leicht gemacht, ist doch der Strafrahmen der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) mit Freiheitsstrafe nicht unter 3 Jahren (d.h. zwischen 3 und 15 Jahren) nur unwesentlich niedriger als der des Totschlags (§ 212 StGB), der eine Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren (d.h. zwischen 5 und 15 Jahren) vorsieht.
Der Unterschied zwischen den beiden Tatbeständen liegt darin, dass der Totschläger die die Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs erkannt haben muss. Für den Täter des § 227 StGB reicht es hingegen aus, dass er die Möglichkeit des Todeserfolgs im Ergebnis hätte erkennen können, weil er nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt. Einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es dabei nicht (BGH, 26.01.2017, 3 StR 479/16, NStZ 2017, 410). Dass ein kräftig ausgeführter Faustschlag gegen den Kopf zu tödlichen Verletzungen führen kann, zeigt sich in der Praxis – der „Wiesn-Fall“ belegt es – immer wieder. Außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt eine solche Folge also nicht. Und so verurteilten wir den zerknirschten TTH wegen Körperverletzung mit Todesfolge.
Erwähnenswert ist noch die Polizeiarbeit am Tatort: während die Polizeibeamten Zeugen befragten und Spuren sicherten, trat „Thorben The Hammer“ mit den Worten „Ich bin der, den Sie suchen!“ auf die Beamten zu. Diese Störung brachte ihm – man glaubt es kaum – nicht etwa die vorläufige Festnahme, sondern einen Platzverweis ein…