Nach dem jüngsten Ausflug in die leichte Unterhaltung kehren wir heute wieder ins seriöse Fach zurück. In einer gerade veröffentlichten Entscheidung hat sich der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH, 24.05.2019, 2 StR 469/18) damit beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen ein sog. tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang gesteht, der für eine Verurteilung gemäß § 251 StGB erforderlich ist. ReferendarInnen aufgepasst: der Beschluss schreit geradezu danach, Teil einer Examensklausur zu werden!
Das Landgericht Köln hat den Angeklagten am 28.02.2018 wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Auf die Revision des Angeklagten hat der BGH das Urteil im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem schweren Raub (also nicht in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge) verurteilt wird. Die weitergehende Revision des Angeklagten hat der Senat als unbegründet verworfen. Auch dieser „Revisionserfolg“ – nach fast eineinhalb Jahren(!) – dürfte beim Angeklagten keine Begeisterungsstürme entfacht haben!
Was war passiert? Nach den Feststellungen war der Angeklagte in die Wohnung des Geschädigten eingedrungen und hatte diesen zur Herausgabe von Geld und Wertgegenständen aufgefordert. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, hatte er dem Tatopfer – in einer ersten Phase des Tatgeschehens – Faustschläge ins Gesicht versetzt, dennoch aber weder Geld erhalten noch finden können. Deshalb hatte er sich entschlossen, die Gewalteinwirkung zu intensivieren und seinem Opfer mit einer Zange mindestens einmal auf den Hinterkopf geschlagen, was zu einer blutenden, aber nicht lebensgefährlichen Kopfverletzung geführt hatte. Nach weiterer vergeblicher Suche hatte der Angeklagte erkannt, dass sein Plan, Beute zu machen, gescheitert war und dass damit seine finanzielle Misere fortbestehen würde. Aus Wut hierüber hatte er nunmehr in einer zweiten Phase des Tatgeschehens mit jedenfalls bedingtem Tötungsvorsatz massiv mit der Zange auf das Tatopfer eingeschlagen, wodurch dieses u.a. Impressionsbrüche beidseits des Hirnschädels, Brüche beider Augenhöhlendächer, einen Jochbeinbruch rechts, einen Abbruch des Oberkiefers von der knöchernen Schädelbasis sowie stark nach innen blutende Gesichtsschädelverletzungen im Bereich der Mundregion erlitten hatte. Sodann hatte er dem rücklings auf seinem Bett zu liegen gekommenen Opfer entweder durch mehrfaches Springen oder durch gewaltsames Niederknien Rippenserienbrüche, Abbrüche von Lendenwirbeln, Brüche am Brustbein und am Schulterblatt sowie eine Lungenanspießungsverletzung zugefügt. Dem Angeklagten war bewusst gewesen, dass die Intensität dieser Gewalteinwirkung über das für eine Tötung erforderliche Maß hinausgegangen war und dass sein Opfer unter massiven Schmerzen und Todesangst gelitten hatte. Der Angeklagte hatte sodann die Wohnung des Geschädigten verlassen, ohne etwas mitzunehmen; das Opfer war etwa eine halbe Stunde später an den Folgen der in der zweiten Tatphase zugefügten Verletzungen verstorben.
Der BGH hat zu diesem Geschehen angemerkt, dass das Raubdelikt und das Tötungsdelikt – anders als vom LG Köln angenommen – in Tatmehrheit zueinander stehen dürften und dazu ausgeführt: „Gleichwohl hat die Annahme des Landgerichts, zwischen dem Vermögens- und dem Tötungsdelikt bestehe Tateinheit, Bestand; sie beschwert den Angeklagten hier nicht.“
Dass es sich beim dem tateinheitlich (?) begangenen Raubdelikt nicht um einen versuchten Raub mit Todesfolge, sondern „nur“ um einen versuchten schweren Raub gehandelt, hat der Senat wie folgt begründet: „Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte nicht wegen versuchten Raubes mit Todesfolge, sondern wegen versuchten schweren Raubes (§§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1b, §§ 22, 23 StGB) strafbar gemacht. Die dem Opfer in der zweiten Phase des Tatgeschehens zugefügten tödlichen Verletzungen waren nicht mehr durch die Raubtat verursacht. Wer beim Versuch eines Raubes mindestens leichtfertig den Tod eines Menschen verursacht, ist wegen versuchten Raubes mit Todesfolge (§§ 249, 251, 22, 23 Abs. 1 StGB) zu bestrafen. Dies gilt auch dann, wenn der Täter den Tod vorsätzlich herbeigeführt hat. Allerdings kann im Hinblick auf die deutlich erhöhte Strafdrohung in § 251 StGB von einer „wenigstens leichtfertigen“ Todesverursachung „durch die Tat“ nur dann ausgegangen werden, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang im Sinne der Bedingungstheorie gegeben ist, sondern sich im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit dem Grundtatbestand einhergehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dieser besondere qualifikationsspezifische Zusammenhang unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Schutzzwecks der Norm auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht, was auch noch in der Beendigungsphase des Raubes in Betracht kommen kann. Hiervon ausgehend ist der von § 251 StGB geforderte Gefahrzusammenhang etwa dann bejaht worden, wenn die mit dem Einsatz der Nötigungsmittel zur Wegnahme regelmäßig verbundene Konfrontation mit dem Opfer dazu führt, dass das Opfer sich zum Zweck der Tatverhinderung und/oder der Ergreifung des Täters zur Wehr setzt und der Täter darauf mit tödlicher Gewalt reagiert, wenn der Täter nach der Wegnahmehandlung zur Sicherung der Beute oder seiner Flucht Gewalt anwendet und dadurch den Tod eines anderen verursacht, wenn mit dem Nötigungsmittel ausgeführte Gewalteinwirkungen dazu dienten, das Tatopfer zum Schweigen zu bringen und dadurch eine Entdeckung der Tat zu verhindern, wenn aus der Befürchtung entdeckt zu werden oder aufgrund anspannungsbedingter Fehleinschätzung ein nichtiger Anlass oder ein Missverständnis zu einem Gewaltausbruch des Täters gegenüber dem Opfer führt oder wenn sich bei einer räuberischen Erpressung unter Verwendung einer Schusswaffe die Gefahr der Eskalation durch den – dann tödlichen – Gebrauch der Waffe verwirklicht, weil das Opfer die Forderungen des Täters nicht erfüllt. Ob an dieser Rechtsprechung in jeder Hinsicht festzuhalten ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn auch nach ihr kann sich der von § 251 StGB geforderte besondere qualifikationsspezifische Zusammenhang nicht mehr realisieren, wenn bei der zum Tode führenden Gewaltanwendung der Raub bzw. die räuberische Erpressung bereits beendet war . Dem steht es gleich, wenn der Raub bzw. die räuberische Erpressung lediglich versucht und zum Zeitpunkt der tödlichen Gewalteinwirkung die Erlangung einer Tatbeute aus Sicht des Täters bereits endgültig gescheitert war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – anders als in dem mit Beschluss vom 13. August 2002 (3 StR 204/02, aaO) entschiedenen Fall – der Täter mit der dann tödlich verlaufenden Gewalteinwirkung auf das Tatopfer erst beginnt, nachdem aus seiner Sicht die Erlangung der erstrebten Beute durch keine Handlungsalternative mehr verwirklicht werden kann, eine Fortsetzung der Tat als (versuchtes) Vermögensdelikt also nicht mehr in Betracht kommt. So verhält es sich nach den getroffenen Feststelllungen hier: Als sich der Angeklagte zur Tötung seines Opfers entschloss, nahm er an, in der Wohnung des Opfers seien weder Geld noch Wertgegenstände zu finden, seine finanzielle Misere würde fortbestehen. Bei dieser Sachverhaltskonstellation waren die zugefügten tödlichen Verletzungen nicht mehr durch die Raubtat im Sinne des § 251 StGB verursacht.
Oder in ganz knappen Worten: wenn es zur Anwendung tödlicher Gewalt kommt, obwohl die Beute bereits in Sicherheit ist oder der Täter nicht mehr mit der Erlangung einer Beute rechnet, wird kein Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB) draus – und zumeist werden die Taten in Tatmehrheit (§ 53 StGB) zueinander stehen.